New Zealand (24)

GEDANKEN BEIM BESUCH DES "KAURI-MUSEUMS"

Roland Barthes hätte zwei weitere Bände seiner „Mythen des Alltages“ schreiben können nach diesem Besuch Neu Seelands und vor allem dieses Museums , das bezeichnender Weise „Kauri-Museum „ heißt , obwohl hier vor allem versucht wird, Neu Seeland eine Geschichte zu geben. Neu Seeland hat noch keine Geschichte, keine eigene Geschichte. Die Geschichte muss noch erfunden werden aus den Mythen des Alltages der Einwanderer , seien es Europäer oder Maoris. Ein Mythos ist schon geboren: der Kauri , ein mythischer Baum in seinem unvorstellbar möglichem und tatsächlichen Alter, seine enorme Gestalt, seine Metamorphose vom Baum zur sakralen Säule der Götterwelt der Maoris, der Kampf der Weißen mit dem Baum um das Überleben. Er ist für Neu Seeland einmalig und bildet mit die Grundlage seiner ökonomischen Existenz, wie das Gold. – aber frei vom verachteten Goldfieber, verbunden mit der Maori-Gottheit Natur.
Dieses Museum ist eine Fundgrube für die Analyse von Mythenbildungen. Noch sind die Gründungsväter auf ihren verblassenden Photos noch unverherrlichte Menschen des Alltages, Urgroßväter und Großväter, die mit Äxten und Schaufeln das Ernstein des Kauri aus dem Baum schlagen oder dem Boden graben, deren Frauen in gänzlich europäischen Ambiente made in England- alles“ very british“ - den alltäglichen Geschäften nachgehen – alles minutiös im Museum dargebracht. Noch überwiegt die neutrale Stimme der geschichtlichen Datenansage, mi wissenschaftlicher Akrebie vorgetragen . Aber plötzlich blitzen Verherrlichungen einzelner Personen, auch wenn sie nur „ digger“ zu Lebzeiten waren, durch, welche die besonderen Tonfarben, das gewisse Timbre in die Stimme legen. Der Sprung in den Mythos ist nicht weit.
Heute ist der Ramsch, der in dem Anspruch, alles Sammelbare hat geschichtlichen Wert, mehr Grundlage für Nostalgie, die gänzlich in den Kitsch abzurutschen droht, als zur Grundlage einer mythischen Geschichtenbildung wird. Diese Gefahr ist übergroß, a ja alle geschichtliche Grundlage nur im fernen verlassenen Heimatland zu suchen ist, bei den Europäern ebenso wie bei den Maori.
Entweder Neu Seeland erfindet sich eine Geschichte , die das Einst und Heute unter eine , wenn auch nostalgisch eingefärbte Flagge führt, oder es wendet sich vom Historismus befreit der Zukunft zu- und schreibt selbst lebendige Geschichte.