Kartoffelessen

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Eine kleine, selbst erlebte Begebenheit möchte ich Ihnen vorab erzählen:
Ich stand noch voll im Erwerbsleben. Das Büro baute die ehemaligen Osram-Werke im Wedding zur Hochschule um. Es war eine technische Herausforderung. Dr. Kempf. Der die Baudurchführungen in unserem Büro steuerte, hatte einen kurzen Urlaub geplant, der örtliche Bauleiter war erkrankt, und „Dottore“ konnte nicht so schnell einen Ersatzmann einweisen, und kam zu mir, u, seinen Urlaub abzusagen. Das konnte ich nicht zu lassen, und ich versprach, selbst die Baustelle in seiner Abwesenheit zu beaufsichtigen.

Und so stand ich im langen Flur durch die ehemaligen Fertigungsräume von Osram – ein Gewirr von Technikleitungen an der Decke, ein Gewirr von Kanälen im Fußboden. Ich fand natürlich sofort Mängel, die sofort zu beseitigen wären und wies mit der Hand hierauf und darauf , und die Arbeiter schauten mich erstaunt und ungläubig, meine Anweisungen bezweifelnd an.

Da erscholl mit dem wirkungsvollen Nachhall vom Ende des langen Flures ein waschechte Berliner Stimme : „ Hat der och wat zu sachen ?!“ Da stand ich nun, ja wie ? – wie ein begossener Pudel ? wie vom Donner gerührt ? .jedenfalls bis ins Mark getroffen und schnappte nach Luft . Ich pflanzte mich unter der Leiter des Elektrikers an Ende des Flures auf und wollte ihn über seine geleistete Arbeit examinieren, und er schaute von hoch oben auf der Leiter zu mir herunter und sagte ganz ruhig und bestimmt ; „Wenn se noch wat sachen, geh ich uff Stütze“! Ich wollte ihn sofort feuern. Vor allen Augen in Stücke reißen- aber ich fand einen scherzhaften Ausweg aus der Situation......
.Aber vergessen habe ich nichts.

Warum ich Ihnen diese Geschichte erzählt habe? Weil ich mich heute als „Kleiner Landmann“ genau so fühle wie damals, als ich wieder im Büro hinter meinem Schreibtisch saß und über das Leben, und über meines im Besonderen, nachdachte.

Noch im letzten Jahr habe ich ihnen empört von meinen vergeblichen Kämpfen gegen schwarze Schnecken, gegen Kartoffelkäfer, ja sogar von dem Kampf gegen Wildschweine vorlamentiert . In diesem Jahr kann ich Ihnen gar nichts von irgendwelchen Kämpfen erzählen. Ich habe kapituliert- mit Herz und mit Hand ergeben.

Ich bin selig, wenn meine ehemaligen Feinde, die unzähligen Käfer, Würmer, Vögel mir etwas von dem, was ich in dem Wahn, es sie für mich, gesät habe, übrig lassen. Ich bin stolz, dass es ihnen allen im meinem Garten um das Atelier so gut geht.

Wie fröhlich springt das Eichhörnchen mit seinen Nüssen von Ast zu Ast .Als Dank hat es mir einen Nussbaum gepflanzt – ob nun in dem Wunsch, mit etwas zu schenken und mit etwas von dem von mir gepflanzten zurückzugeben, oder nur aus Schusseligkeit, weil es das Versteck für den Winter wieder vergessen hat , das bleibt doch dahingestellt!

Das Eichhörnchen ist fröhlich und ich kann ohne Neid auf die Nuss in seinen Händchen schauen, Ich bin glücklich, dass es das Eichhörnchen gibt und dass es in meinem Garten gut hat. Wenn ich nun eine weniger habe? Es sind doch so viele und der große Baum steht in Nachbars Garten.

Und so geht es mit den Weintrauben. Ganze Scharen von Vögeln haben mit mir davon gelebt. Und wie viel Bohnen, Gurken ,Kartoffeln von der Besatzung der Schanze veschmaust worden ist, werden wir nicht nachzählen. Es ist für alle genug da! Auch für schwarze Schnecken und die unsichtbaren Würmer.

Aber zu sagen habe ich nichts mehr ! Ein eigenartiger Gefühl ! Auch eine Befreiung ! Ich muss nicht mehr kämpfen! Ich habe Alles ! Wenn ich mehr wollte, wäre ich nur gierig, wäre ich krank !
So gehe ich in den Garten, und möchte nur noch dabei sein, mit den Vögeln singen- was ich dann doch lieber die jungen Künstlern aus der Burgwallschanze tun- mit den Eichhörnchen tanzen- was nur noch im Geiste geht, aber schon die Vorstellung allein macht glücklich – und mit den Wildschweinen grunzen – das kann ich noch perfekt !

Genießen sie die Kartoffeln, welche die Tiere und noch gelassen haben ! Es sind für uns genügend auf dem Tisch ! Und sie sind umso leckerer in dem Bewußtsein, dass sie uns geschenkt worden sind.. Ich jedenfalls habe sie nur gepflanzt. Dann hatte ich nichts mehr zu sagen. Es ist herrlich befreiend ! Ich trage keine Verantwortung ! Und doch sind die Kartoffeln auf dem Tisch !

Guten Appetit !

ME.Gehrmann