Kuala Lumpur 16.02.2008

DIE STADT

Nein! Ich liege nicht im Bett im vierten Geschoss eines zweitklassigen Hotels in Kuala Lumpur, Morgens um fünf Uhr und starre an die Decke. Nein! Ich liege, in schneeweißes Linen eingehüllt , das nach frischer Wäsche riecht, in einem gläsernen Kokon , hermetisch von einer Außenwelt abgeschlossen, die nicht die meine ist, ganz hingegeben der Innenwelt, einer heiteren, in Gedanken herumtobenden Welt, ein Feuerwerk an Leben! Dies ist meine Welt, dem Ich preisgegeben, mein Alter Ego, das eigentliche Leben.
Ich werden mir jetzt einen Tee kochen, Geschmacksrichtung Mango, die neue Entdeckung für Nase und Gaumen, er wird mich aufwecken und wir werden Pläne zur Entdeckung von Kuala Lumpur schmieden.

Kuala Lumpur muss neu erfunden werden. Das Wiedersehen hat den ersten Eindruck verschärft. Es gibt viele Kuala Lumpur. Wir sind in einem anderen Hotel in einem anderen Stadtbezirk an einem der Bahnhöfe abgestiegen. Wir sind ganz woanders , aber wieder mitten in dem Gemisch aus verfallender Altbebauung im ursprünglichen chinesischen Muster einer zweigeschossigen Bebauung entworfen ,nun der Erosion preisgegeben im Schatten der 40 bis 60 – geschossigen Hotel- und Wohnbauten.
Es ist eine große planerische Herausforderung , für die Entwicklung dieser Weltstadt einen Plan u entwerfen, ein neues Ganzes zu denken und zu schaffen, um diesem chaotischen Patchwork ein formales Image zu geben. Reizvoll an dieser Aufgabe wäre, das bestehende Funktionsgeflecht aufzunehmen, zu verstärken und neue Stränge einzuziehen, ohne das bestehende feinnervige Netz zu zerstören.
Dagegen werden die Vorstellungen der Bevölkerung stehen, die derzeit draußen gegen die bestehenden Verhältnisse demonstriert, ohne wahrscheinlich begriffen zu haben, dass es auch ihre Aufgabe ist, das eigene Leben zu meistern und gemeinsam eine neue Stadt zu bauen.
Eine herrliche Aufgabe- aber man muss sie erkennen und annehmen und sich dafür engagieren, oder man versinkt weiter im Müll. Was wird diese Stadt tun? Was werden die Bewohner wollen?

Die Stadt erwacht, der Tee wirkt Ich werde munter, verlasse meinen Kokon und schaue aus dem Fenster:
Zu der aus der geschoßweisen Notbeleuchtung der Treppenhäuser gebildeten Perlenschnur, die senkrecht aufragt wie eine beschwörte Schlange, gesellen sich nach und nach angeknipste Lichter in Wohnungen und Hotelzimmern. Die Hochbahnzüge fahren jetzt öfters. Erste Autos starten unter mir in der alten Gasse. Stimmen hört man nicht. Es ist noch die morgendliche Stille , die niemand wagt, als erster zu durchbrechen. Hier herrscht nicht die Unbefangenheit und Bedenkenlosigkeit eines Italieners in der Früh, der alles daran setzt, als erster gehört zu werden, und zwar von allen, damit beim ersten
Espresso berichtet wird: Giovanni war heute schon früh auf- und dann folgen tausend Erklärungen, warum gerade er es nötig hat, so früh aufzustehen.....
Hier liegt noch der morgendliche Zauber der Stille über der Stadt.

Ich weis Das wird sich bald ändern!

Kuala Lumpur, 17.02. HAUPTBAHNHOF
Die verkehrsgerechte Stadt, fahrverkehrsgerecht, hat ihre Extremlösung im neuen Hauptbahnhofkomplex gefunden. Ein großes überbautes Rechteck , in mehreren Etagen Gleise, Umfahrten für Busse, Taxen und Vorfahrten für An- und Abfahrten.
Seitlich neben der eigentlichen Bahnhofshalle, mit Stahlgitterkonstruktionen abgedeckt, zwei Hochhäuser auf eine 6 bis 8- geschossigen Parkierung aufgesetzt.
Der Fußgänger wird an einer Vorfahrt abgesetzt, geht in eine viel zu kleine Lobby und verschwindet in den Fahrstühlen. Keine Repräsentation des Hotels.Will man als Fußgänger diese riesigen Hallenflächen mit Umfahrten verlassen und als Fußgänger Richtung des Museums, das man in ca. 100 Metern im Blick hat , gehen,kommt man nur auf einer schmalen einläufigen Treppe auf das Erdniveau und findet über einen Fußgängersteig über einen großen Parkplatz Anschluss an eine alte Strasse, die man an einer Ampel nach langem Warten überqueren kann .Entlang dieser alten Strasse , die sich bald in Autobahnanschlüssen, Tunneln und Brücken verheddert, suchten wir die Eisenbahnen und Hochbahnen zu überqueren und brauchten fast eine Stunde Fußmarsch auf Notsteigen am Rande der Fahrstreifen , um das Geschlinge aus Bahnen in mehreren Ebenen zu überwinden und den Eingang zum Nationalmuseum zu erreichen. Das ist Horror für Fußgänger- nicht einmal mehr Hasenjagd, wie beim ersten Besuch der Stadt. Hier gehr niemand zu Fuß!