Pangkor 10.02.2008

BILDER AUS DER KINDHEIT

Es sind die Bilder aus der Kindheit, die immer wieder in der Erinnerung aufleben, ständig als einprägsame Kulissen auf der Lebensbühne stehen bleiben. Der erste Akt des bewussten Lebens, die Kindheit, gibt eine Grundthematik dem Leben vor, bildet den Grundtenor und die
Tonarten, gibt Bilder an, die wie Märchen ein eigenes Dasein haben, aber in der eigenen Erinnerung ein Teil des Selbst sind.

Vater Grimmel, der schon zahnlose Bauer des Hofes im zur Elbe abfallenden Tal, auf dem ich einen Teil meiner Kindheit verbracht habe, sitzt am groben Holztisch, tief gebeugt über seiner Suppe, den rechten Arm auf den Tisch gelegt und den Löffel nur aus der abgestützten Hand in den Mund geführt. Der linke Arm liegt angewinkelt auf dem linken Oberschenkel. Vater Grimmel schlürft die Suppe, die er für sehr heiß hält, mit zitternden Lippen Fühlt er etwas nicht Zerkochtes, etwas Sehniges -Fleisch , Knochenstückchen, Etwas wie einen noch festen
Gemüsestängel, so stößt er es mit der Zunge sofort wieder aus dem Mund heraus, kaum dass es die Lippen passiert hat. Es fällt in die linke Armbeuge und kullert perfekt, wie auf einer Rutsche den Unterarm herunter, über die offenen Hand als Fressnapf direkt in das schnappende Maul von Graumann, dem alten Hund, der es unzerkaut herunterschlingt.- Eine perfekte Symbiose von Herr und Hund, eine Lebensgemeinschaft am Eß- wie Fress-Tisch. Der Hund sitzt mit vorgeschobener Schnauze zwischen den Knien Vater Grimmels, die Knie
rechts und links neben der leicht geöffneten Schnauze, es kann gar nichts danebenfallen. Dauert es ein Weilchen, bis ein neuer Bissen die Achterbahn herunterkollert, tröstet Vater Grimmel Graumann mit leichtem Kraulen mit der linken Hand hinter den Ohren. Der Hund soll immer wissen, dass er nicht vergessen ist. Hat er nichts zwischen den Zähnen, hat Vater Grimmel auch nur Suppe im Mund.
Ich weiß nicht, ob Mutter Grimmel, - die alte Bäuerin mit den üppigen Hüften, die beim Essen nie mit am Tisch saß, sondern auf ihrem Schemel am gemauerten Herd, in der Nische vor dem Kamin, den krummen Rücken gegen die warme Wand gedrückt , ein kleines, schon
nach innen rund geschliffenes Küchenmesser in der rechten Hand- ich weiß nicht, ob Mutter Grimmel für den Hund überhaupt je einen Fressnapf zurechgemacht hat und die festen Fleischstücke und Knochen nicht bewusst in die Suppe für Bauer Grimmel getan hat- für den Hund. Von ihr bekam der Hund, wenn er an Ihr mit wedelndem Schwanz vorbeikam und sie mit seinen treuen Augen unter dem Kranz der buschigen grauen Brauen bettelnd anschaute, ein vor ihrer massigen Brust mit dem Küchenmesser über dem Daumen von der Schwarte abgeschnittenes Stückchen Speck, eine besondere Leckerei, eine Leidenschaft, die sie mit dem Hund teilte. Sie war die Herrin, die Dritte im Bunde. Herr war Vater Grimmel, aber der Hof gehörte den Dreien.
Herr und Hund brachten die Kühe auf die Weide, Pflügten mit den Pferden den Acker, brachten Abends die Schweine in die Koben. Mutter Grimmel ging mit dem Hund die Hühner und Gänse füttern. Der Hund sorgte unter dem Vieh für Ordnung .Das war seine Aufgabe, das war sein Leben für den Bauern und seine Bäuerin

So einfach ist verklärte Kindheit, eine Idylle in den Erinnerungen an den ersten bewussten Akt des Lebens, ohne zu wissen, dass das Leben noch soviel an Dramatik bringen wird, Enttäuschungen und Leere.